Tod

Wochenkolumne - nichts sehen - nichts hören - nicht reden

10.11.2021

Ich tendiere normalerweise dazu meine Wochenkolumne Freitags zu schreiben, einfach weil Sie dann näher am aktuellen Zeitgeschehen dran ist. Doch was ist das aktuell schon, denn täglich, fast stündlich ändern sich die Meinungen, die Prognosen. 

 

Daher schreibe ich meine Kolumne schon heute, Mittwoch den 10.11.2021, mit jeder Menge Wut im Bauch. Auch das Titelfoto habe ich bewusst ausgewählt, der eine oder andere mag darin Panikmache sehen, aber für mich zeigt dieses Bild doch die aktuelle Lage wieder. 

 

Warum Wut im Bauch?

Weil dieses Szenario vorhersehbar war, weil es eben nicht etwas völlig unvorhersehbares ist, weil es nicht über alles erwartete hinaus geht. Weil die Politik einen langen Weg des Versagens hinter sich hat. Ja, ich weiß, im Nachhinein lässt sich das immer sagen, aber sorry, zum Glück kann es jeder nachlesen, ist es nicht, denn viele der aktuellen Dinge sind nicht im Nachhinein dahingesprochen, dahin geschrieben, sondern in den vielen Wochenkolumnen schon immer weit vorher prognostiziert worden. Daher lasse ich diesen Einwand nicht gelten. 

 

Und ich denke an meine Kunden, ja, mittlerweile auch an Freundschaften die daraus entstanden sind, die durch Corona hart am Limit angekommen sind, deren Möglichkeiten begrenzt sind, die wieder Angst haben, Angst um Ihre Existenz. Bleiben Hotels geöffnet, kann die Wintersaison stattfinden. Alles Dinge, die psychisch ans Limit gehen. Eine erneute Schließung wäre ein Supergau. Und, natürlich denke ich auch an die Branche im Großen und Ganzen, alleine das Ahrtal, erst Pandemie, dann die Flut, und jetzt eventuell nochmal die Pandemie, niemand kann sich vorstellen was in den Köpfen der Betroffenen vorgeht. Und ja, es geht auch um mich, um meine Mitarbeiter, denn wir sind abhängig von einer funktionierenden Branche!

 

Alles auf die Politik zu schieben ist aber auch zu einfach, denn jeder von uns hatte es selbst in der Hand, aber eben als Gemeinschaft. Der zweite Grund warum ich Wut im Bauch habe, denn nicht nur die Politik, sondern auch wir alle als Gemeinschaft, als Gesellschaft haben versagt. Doch was ist passiert, warum ist das, was wir alle als eigentlich beendet angesehen haben, jetzt wieder Realität? Warum sprechen wir wieder über Lockdowns, über 100.000 Tote zusätzlich durch die Corona Pandemie? So schwer ist die Antwort nicht, weil wir es einfach so wollten, weil wir nichts dagegen getan haben, weil wir mehr Augen dafür hatten wieder so zu leben wie vor der Pandemie. 

 

Was ist passiert?

Erinnern wir uns noch an die letzten knapp 2 Jahre? An die Lockdowns, an die Schließungen der Schulen, an Hilfsleistungen in Billionenhöhe? An geschlossene Hotels, geschlossene Restaurants über fast 5 Monate? Heute stehen wir tatsächlich schlimmer da als vor einem Jahr, trotz Impfungen, trotz 2 Jahre Lernzeit damit anders, besser umzugehen. Gelernt haben wir leider nichts. Doch warum ist es so, warum hat es sich so entwickelt? 

 

Fangen wir einmal an:

  • Wir haben es nicht geschafft aus der kurzfristigen "Hau ruck Methode" in eine strategische Planung zu kommen
  • Es ist uns nicht gelungen eine sichere Situation in den Schulen zu erreichen, auch hier wäre viel, viel mehr drin gewesen
  • Wir haben eine Impfkampagne mit Druck aufgebaut, wir haben überredet, nicht überzeugt
  • Wir sind der uns versprochenen Illusion aufgesesen, wer sich jetzt impfen lässt ist durch
  • Eine Bundestagswahl abzuhalten in einer solchen Situation war fahrlässig
  • Handlungsunfähigkeit ist das schlimmste was passieren kann, Unsicherheit das zweitschlimmst, beides haben wir zugelassen

Und deshalb sitzen wir jetzt dort, wo wir eigentlich nicht mehr hinwollten, eigentlich hatten wir das hinter uns gelassen. Jetzt noch einzulenken ist bekanntlich schwer. Inzidenzen zu senken, ist ja auch nachweislich schwieriger als Sie zu halten! Was passiert jetzt, was dürfen wir, müssen wir erwarten. Ganz sicher wird es so nicht weiter gehen können. Es gibt bereits Modellrechnungen, die mehr als 100.000 weitere Corona Tote vorhersagen, die das kollabieren unseres Gesundheitssystems prognostizieren, die einen Lockdown als alternativlos vorhersagen. 

 

Ich möchte mich nicht an Spekulationen beteiligen, sondern einfache Mathematik anweden, leicht verständlich und, leider, kaum widerlegbar. Aktuell haben wir knapp 40.000 Infizierte täglich, Tendenz steigend! Dieses bedeutet, 0,8% davon liegen in 10 bis 14 Tagen auf deutschen Intensivstationen. Aktuell liegen dort knapp 2.800 Covid Patienten, freie Kapazitäten werden mit 3.200 angegeben. Demnach kommen täglich zwischen 250 und 350 neue Patienten pro Tag dazu, nehmen wir die niedrigste Zahl, dann dauert es ab heute genau noch 12,8 Tage bis unsere Intensivbetten komplett belegt sind (unter Berücksichtigung des Optimalfalles und nicht weiter wachsendem Infektionsgeschehen). 

 

Im Anschluss kommt es dann zu Engpässen in der Akutversorgung, Überlastung des Pflegepersonals, und täglich mehr als 200 zusätzlichen Todesfällen! Die Folge ist dann je nach Entwicklung die Überlastung unseres Gesundheitssystems. Was verkraftet unser Gesundheitssystem? Hier kann nur spekuliert werden, es gibt keine Erfahrungswerte. Nach aktuellem Stand sollte das Gesundheitssystem Inzidenzen von 400 noch schaffen können, anschließend wird es eng! 

 

Und auch hier, aktuell liegt die Inzidenz bei 230 im Bundesdurchschnitt, tägliches Wachstum, ca. 15 pro Tag. Wieder eine Rechnung unter Berücksichtigung es wird nicht schlimmer! In 11,3 Tagen liegt die Inzidenz bei 400. Sprich die Belegung aller Intensivbetten und die Grenze der möglichen Belastung unseres Gesundheitssystems ist wohl in spätestens 14 Tagen erreicht! 

 

Dieses aufzuhalten wäre nur noch mit einem harten Lockdown möglich! Dieser ist nach wie vor von politischer Seite ausgeschlossen!!! Alle Maßnahmen die jetzt in Kraft treten, werden dieses Szenario kaum noch verändern, aber wenn erfolgreich umgesetzt dafür sorgen, dieses Szenario nicht schlimmer und länger werden zu lassen. Die große Frage die sich stellt, wie geht es weiter. Wir haben nicht wie in der "Hochzeit" der 3. Welle bereits Februar oder März, nein, wir befinden uns im November! 

 

Also, es wird ein unangenehmer, ein unvorhersehbarer, ein völlig planloser Winter. Ob Urlaub möglich ist und wenn, wo, steht aktuell in den Sternen. Ob es ohne Lockdown funktioniert ist mehr als fraglich, ob eine handlungsfähige Regierung schnellstmöglich verfügbar ist, unsicher. Alles in allem habe ich Wut im Bauch, nichts gelernt, nichts verstanden und wie während der gesamten Pandemie im Blindflug von einer Katastrophe in die nächste. 

 

Guten Flug und bis nächste Woche.

Weiterempfehlen